Inisheer (Inis Oírr) ist die östlichste und kleinste Aran-Insel. Eine am Hang gelegene Festung, der Leuchtturm und ein halb verrottetes Schiffswrack sind die bekanntesten Sehenswürdigkeiten. Landschaftsliebhaber werden außerdem ihre Freude an den vielen Trockenmauern haben, die sich über weite Teile der Insel erstrecken. Bei unserer Radrundfahrt entdecken wir einiges mehr, wofür sich der Ausflug lohnt.
Die typische Anreise nach Inisheer erfolgt mit der Fähre. Im County Galway bieten die Aran Island Ferries in Ros a' Mhíl Fahrten zu allen drei großen Araninsel an. In Verbindung damit betreibt das Unternehmen einen Busshuttle ab Galway City. Die Fahrtzeit liegt bei knapp einer Stunde. Da wir ohnehin mit einem Leihwagen unterwegs sind, haben wir uns indes für den Hafen von Doolin (GPS-Koordinaten N 53.0149, W 9.40415) im County Clare entschieden. Die Anfahrt dorthin erfolgt über die N67 bis Lisdoonvarna. Ab dort ist die Zufahrt zum Hafen ausgeschildert. Die Fähre von Doolin Ferry benötigt 15 Minuten bis zum Pier auf Inisheer. Ein zweiter Vorteil neben der kürzeren Überfahrt ist, dass wir an verschiedenen Zeiten zurück ans Festland fahren können.
Nach einer tatsächlich nur kurzen Fahrt erreichen wir den Hafen von Baile an Lurgáin, dem Hauptort der Insel. Nur etwa 250 Iren wohnen dauerhaft auf Inisheer. Allein daraus lässt sich die hohe Abhängigkeit vom Tourismus erkennen. So finden wir in dem idyllischen Ort eine reiche Gastronomie. Während die Restaurants mit fangfrischem Fisch und irischer Hausmannskost locken, finden wir in den Cafés eine große Auswahl an Kuchen und Torten. An die Übernachtungsgäste richten sich schließlich die Pubs mit typisch irischer Folklore und dem ein oder anderen Pint Guinness. Unser erster Weg führt indes zum Fahrradverleih von Rothai, wo bereits zwei Räder für unsere Erkundungstour parat stehen.
Das erste Ziel unserer Rundfahrt ist Cnoc Raithnighe. Hinter dem für unsere Zungen unaussprechlichen Namen verbirgt sich die bedeutendste archäologische Stätte der Araninseln. Der Ursprung des kreisförmig angelegten Gebäudes wird auf die Zeit um 1500 vor Christus datiert. Damit bestätigt es, dass die Inselgruppe bereits im Bronzezeitalter zumindest zeitweise besiedelt war.
Lange Zeit war Cnoc Raithnighe vom Erdreich verborgen. 1885 änderte sich dies, als heftige Stürme eine Trockenmauer freilegten, die einen niedrigen Hügel umschloss. Die folgende Untersuchung förderte zwei umgedrehte Tonurnen zutage, unter denen eingeäscherte menschliche Knochen und eine Bronzenadel oder Ahle, also ein spitzes Werkzeug, lag. 1896 begann die Wiederinstandsetzung der Deckmauer.
Einen Steinwurf von der erste Fundstätte entfernt fand man Fragmente kleinerer, dafür reicht verzierter Urnen, welche heute im Nationalmuseum in Dublin ausgestellt sind. Nordwestlich umschließt eine weitere Trockenmauer den Fundort von gut zwei Dutzend mit Steinen ausgekleideten Gräbern. Ihre Ausrichtung von Ost nach West und die Überdeckung mit Steinplatten deutet darauf hin, dass es sich um eine ursprünglich heidnische Grabstätte handelt, die nach Ankunft der ersten Christen nochmals verwendet wurde.
Kaum haben wir die archäologische Stätte verlassen, da zieht der nächste Regenschauer über das Eiland hinweg. Gut nur, dass der Weg zur St. Gobnet's Church direkt am Seaweed Cafe vorbeiführt. Was sollen wir sagen? Kaum haben wir unsere Fahrräder abgestellt, da werden wir auch schon auf der Terrasse des Restaurants freundlich empfangen. Im Innern sind wir dann erstaunt, wie einfach alles gehalten ist. Gläser und Tassen sowie Kuchenstücke stehen zum Mitnehmen bereit. Bekannt ist das Café auch für seine Pizzen und Suppen. Nachdem wir noch vom letzten Full Irish Breakfast satt sind, begnügen wir uns hingegen mit zwei Tassen Cappuccino. Auch diesen können weiterempfehlen.
Das schöne an den Araninseln ist, dass sich das Wetter recht schnell ändert. So reicht tatsächlich eine kurze Pause im Café, um den Schauer vorüberziehen zu lassen. Damit radeln wir schon bald weiter nach Teampall Caomhán bzw. zur St. Caomhán-Kirche. Die im 10. Jahrhundert gebaute Kirche befindet sich heute direkt gegenüber der Landesbahn des Inselflughafens. Benannt ist nach dem heiligen Caomhán, dem Schutzpatron von Inis Oírr und Bruder des Kevin von Glendalough.
Besser bekannt als unter ihrem eigentlichen Namen ist das Gebäude als die »Versunkene Kirche«. Nach ihrer Aufgabe im 14. Jahrhundert begrub der Wind die Kirche nach und nach unter dem Sand, bis sie in den Sandmassen komplett untergegangen war. So konserviert blieben die alten Mauern gut erhalten. Erst in der Neuzeit legten die Insulaner den Chor der Kirche wieder frei, sodass wir hier heute ein einmaliges Fotomotiv finden. Auch der Zugang ist uns durch eine einfache Treppe leicht möglich. Einen Steinwurf nordöstlich der Kirche befindet sich außerdem das Grab von St. Caomhán. Über der Ruhestätte wurde ein Dach installiert, um den Ort vor Witterungseinflüssen zu schützen. Nach diesen schönen Eindrücken schwingen wir uns wieder aufs Rad. Als Nächstes folgen wir dem Fahrweg zwischen dem Meer und dem von Felsen umgebenen An Loch Mór hindurch. Wenig später sehen wir eines der berühmtesten Schiffswracks Irlands vor uns.
Durch die Nähe zum Festland und den weiter westlich gelegenen Araninseln ist Inis Oírr geschützt. Bei großen Stürmen allein sollte man sich darauf allein aber nicht verlassen. Eine weithin sichtbare Mahnung ist das von Rost zerfressene Schiffswrack der MV Plassey. Am 8. März 1960 trieb der von Wind und Sturm aufgepeitschte Atlantik das Boot an die Ostküste der Insel, wo es einen Felsen rammte. Der Inisheer Rocket Crew gelang es zwar, die Matrosen samt Kapitän zu retten. Das Schiff aber musste aufgegeben werden. In den folgenden Jahren trieben es weitere Stürme bis an den Strand von Carraig na Finise, wo es sich seitdem zu einer der bekanntesten Sehenswürdigkeiten entwickelt hat. Zwischen 1995 und 1997 war das Wrack der MV Plassey im Vorspann der BBC-Serie »Father Ted« zu sehen. Allein dadurch bekam die touristische Entwicklung Inisheers einen kräftigen Schub.
Vom Schiffswrack des havarierten Frachters trennen uns Luftlinie 1,8 Kilometer vom Leuchtturm der Insel. Da es an diesem Küstenabschnitt jedoch keine Straße gibt, müssen wir zunächst nochmals um den See An Loch Mór fahren. Anschließend halten wir uns links und nehmen die Straße an der Kirche der Sieben Schwestern - eine weitere Ruine - vorbei bis zur Südküste. Die Strecke bis dorthin ist mit 3,6 km exakt doppelt so lang wie die direkte Verbindung.
Der Abstecher aber lohnt sich. Denn auch das Inisheer Lighthouse zählt zu den beliebtesten Fotomotiven der Araninseln. Tatsächlich bietet der weiße Turm mit seinem schwarzen Mittelstreife einen schönen Kontrast zu dem sonst nur kargen Felsplateau. Der Zugang zum Leuchtturm ist nicht möglich. Das können wir gut verschmerzen. Denn für die Sicht zu den von hier elf Kilometer entfernten Cliffs of Moher brauchen wir vor allem eins: klare Luft.
Nach dem Abstecher zum Leuchtturm geht es auf demselben Weg zurück bis zu den ersten Häusern, dann links zur Ruine des An Tur Faire. Die Festung entstand Anfang des 19. Jahrhundert und gilt als ein Musterbeispiel der napoleonischen Türme. Ähnlich wie bei den Barockschanzen im Schwarzwald gibt der Name zu erkennen, dass man eine Invasion durch französische Truppen fürchtete. Einem Angriff hätte der Turm kaum standgehalten. Vielmehr war er Teil eines Signalsystems entlang der irischen Küste.
Die Türme wurden so zu einander ausgerichtet, dass sie von den benachbarten Stationen aus gesehen werden konnten. Für die Übermittlung von Nachrichten wurden damals eine Fahne, ein kleiner Anhänger und vier schwarze Kugeln in verschiedenen Kombinationen gehisst und wieder gesenkt. Nach der Niederlage Napoleons in der Schlacht von Waterloo in Belgien wurden die Türme aufgegeben. Der Zugang in den Turm ist nicht erlaubt, die Aussicht über die umliegenden Mauern und Felder aber lohnt sich.
Nur einen Steinwurf weiter nördlich thronen die Ruinen des O’Briens Castleauf dem höchsten Punkt von Inisheer. Die auch als Furmina Castle bekannte Festung entstand im frühen 14. Jahrhundert als Sitz der Familie O'Brien und ist heute als Nationaldenkmal Irlands geschützt. Der zweite Name geht auf die vorchristliche Ringfestung Dún Formna zurück. Ins Deutsche übertragen bedeutet der Name Hügelfestung der Schulter, wobei sich die Schulter auf die Geländeform bezieht. Während der Blütezeit der Burg nahm ein großer Saal den gesamten ersten Stock ein. Hier befand sich auch der erhöhte Zugang. Das darunter liegende Erdgeschoss diente als Keller und Lagerraum. Im Jahr 1582 gelang es den O'Flahertys, O'Briens Castle einzunehmen. Den Schlusspunkt setzten Truppen Oliver Cromwells, welche die Burg 1652 eroberten und plünderten.
Nach den beiden Festungsruinen führt uns der Weg wieder zurück nach Baile An Lurgard. Da wir immer noch Zeit bis zur Abfahrt unserer Fähre haben, fahren wir jedoch sogleich weiter an die Westküste der Insel. Auf dem Weg dorthin passieren wir mit Cill Ghobnait eine weitere Kirchenruine. 200 Meter südlich davon befindet sich Áras Éanna, das kulturelle Zentrum von Inish Oírr. Zwei längliche Gebäude, die äußerlich eher an eine Kaserne erinnern, beherbergen eine Kunstgalerie, das Theater der Insel und ein weiteres Café. Wer möchte, bekommt in der Kunsthandwerksstätte einen Einblick in die traditionelle Korbflechterei der Insel.
Ansonsten hat die Westküste nur wenige, kleine Sehenswürdigkeiten. Hierzu zählen mit dem Tobar Einne und dem Tobar na Broige die Reste zweier historischer Brunnen. Auch finden wir direkt an der Küste das Denkmal der Fischer. Ansonsten aber ist diese Seite von Inisheer karg, womit sich die Fahrt hierhin vor allem dafür lohnt, den Blick über die hier noch wilde und felsige Küste schweifen zu lassen.
Sowie wir anschließend die Räder zurückgegeben haben, bleibt noch etwas Zeit, um vor der Rückfahrt eine Kleinigkeit zu essen. Das denken wir zumindest. Doch leider hält man uns im Restaurant für Übernachtungsgäste, was bedeutet: man lässt uns warten. Schließlich gehen wir ungegessener Dinge und gönnen uns stattdessen einen Spaziergang entlang dem Strand von Baile an Lurgáin. Auch schön!