Wir sind unterwegs zum Steinfort Drumena Cashel. Schmale Straßen schlängeln sich im stetem Auf und Ab durch die Landschaft der Mourne Berge. Am Wegrand strahlen blühende Ginster-Büsche gelb wie die Sonne. Die Sträucher bilden einen wunderschönen farblichen Kontrast zum sonst mausgrauen Wetter. Immer wieder steuert Lars den Wagen an die Seite. Es gilt, möglichst viele schöne Fotomotive einzufangen.
Wir kommen also nur langsam voran. Und wir sind nicht allein. Um uns herum begrenzen akkurat gesetzte Steinwälle das umliegende Weideland. Dahinter hocken Schafe und beäugen uns misstrauisch. Kleine Lämmer tollen über das saftige Grün. Manche von ihnen finden Schlupflöcher und rennen jenseits der Weidezäune durch die Gegend. So ist es nur allzu verständlich, dass ihre Mütter uns argwöhnisch beobachten.
Vorbei am Lough Island Reavy Reservoir weist eines der braunen Hinweisschilder zum Slievenalargy Mountain. Der Drumena Cashel muss sich in der entgegengesetzten Richtung befinden. Er kann nicht sonderlich viel sein, wenn kein einziges Schild auf ihn hinweist. Also folgen wir den Anweisungen unseres Navis. Wir oft hat es uns in Irland schon in die Irre geleitet? Egal, irgendwie wird es schon klappen.
Selbst wenn die Straße mal wieder so schmal ist, dass kaum zwei Autos aneinander vorbei kommen. Eher zufällig entdecken wir am Wegesrand ein grünes Weideschwenktor, wie sie für Wanderwege durch Kuhweiden typisch sind. Hier muss das Steinfort wohl sein. Lars wundert sich, wie man solch eine Sehenswürdigkeiten findet. Dann macht er sich auf die Suche nach einer halbwegs sicheren Parkmöglichkeit.
Tatsächlich bildet das Schwenktor den Zugang zu einem schmalen Weg zwischen zwei Mauern. Ein Maschendrahtzaun soll wohl die Schafe fernhalten. Die haben aber längst den Dreh mit dem Schwenktor erkannt. Der ganze Pfad ist übersät mit Schafsköttel. Doch vor uns erhebt sich nun der Steinwall des Drumena Cashel. Vor Ort können wir uns glücklich schätzen, ausreichend vorbereitet zu sein. Andernfalls hätten wir die historische Stätte womöglich mit einer der Weidemauern verwechselt. Doch auf einer Hinweistafel ist die frühchristliche Wallburg beschrieben.
Der Drumena Cashel ist ein steinernes Ringfort aus der frühchristlichen Zeit. Er gehört zu einer Gruppe von Cashels im felsigen Hochland der nördlichen Ausläufer der Mournes. Steine waren damals das lokale Baumaterial. Die beeindruckende Umfassungsmauer ist stellenweise bis zu dreieinhalb Meter dick. Ursprünglich war sie drei Meter hoch und umschloss mit einem Durchmesser von ca. 40 Metern ein Bauernhaus mit Nebengebäude. Ein etwas verworrenes Trockensteinfundament markiert die Position der ehemaligen Gebäude.
Als Besonderheit besitzt Drumena Cashel einen Souterrain, ein unterirdischer Tunnel, der bis dato begehbar ist. Die Frage nach seinem ursprünglichen Nutzen ist bislang ungelöst. Es wird vermutet, dass er bei Gefahr als Zufluchtsort diente. Während der Wikingerzeit gab es einen florierenden Sklavenhandel. Im Falle eines Angriffs hätten die Bewohner mitsamt ihrer Wertsachen in den Untergrund flüchten können. Es wird aber auch für möglich gehalten, dass die Bauern die Gänge als Vorratskammer für Milch und Getreide nutzten. Bei einigen Cashels sind die Tunnel in Fels geschlagen. Hier, beim Drumena, ist er in den Boden gegraben und mit Steinmauern ausgekleidet.
Wie so viele historische Bauwerke war auch der Drumena Cashel einst von neuzeitlichen Bauprojekten bedroht. Doch die Belfast Natural History and Philosophical Society spendete in den 1920er Jahren 150 Pfund. Dies reichte aus, um die alten Mauern auszugraben und zu restaurieren. Das Souterrain wurde dabei gesichert und die Mauer teilweise wieder aufgebaut. Die Überdeckungen werden heute an einigen Stellen durch Beton ersetzt, um die Standfestigkeit zu gewährleisten. Insgesamt ist von dem Steinfort einiges mehr zu sehen als es der Anschein von der Straße vermuten lässt. Außerdem bietet die Mauer einen wunderschönen Rundumblick über die Landschaft der Mourne Mountains. So gesehen, sind wir glücklich, diesen entlegenen und stillen Ort abseits der großen Ausflugsziele gefunden zu haben.